Zu Aus dem Schatten (edition 8, 2017)


Katja Fusek gelingt ein vielschichtiger, auch tragikomisch versetzter Blick auf eine Familie und deren Wunden. Manche Bilder wie etwa das der Mutter, die «mit Wut» statt Liebe kocht und dabei «auf die Regale einredet», bleiben haften. Basel und Prag verdichten sich zu einem atmosphärischen Gewebe, in dem die Figuren eine glaubhafte Kontur bekommen.
(Peter Burri, Basler Zeitung, 7. 11. 2017)


«Aus dem Schatten» ist ein ausserordentlich starkes Buch, das Zeitgeschichte mit einem Familienschicksal verbindet, eine spannende Geschichte erzählt, dabei persönlich berührt und nicht zuletzt zum Nachdenken über sich selbst anregt.
(Rolf Spriessler, Riehener Zeitung, 22.12.2017)


Letztlich sind es die Körper, welche die Wahrheit einfordern. Im sexuellen Begehren, vor allem in den ungelebten, nur heimlich ausgelebten oder auch bloss herbeifantasierten Liebschaften sind die Figuren noch am ehesten bei sich. Fusek zeigt das eindringlich und mit verständnisvoll sanfter, aber ungeschönter Genauigkeit.
(Verena Stössinger — bz Basel, 7.9.2017)


Konsequent aus der Perspektive Dagmars geschildert gewinnt die Erzählung zusätzlich an Tiefe. Fusek, die selbst tschechische Wurzeln hat, zeigt eindrucksvoll auf, wie der Verlust von Heimat über Generationen hinweg schmerzen kann. Empfohlen.
(Gabriele Fachinger, Deutsche öffentliche Bibliotheken)

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Prager Schatten über Basel

von Peter Burri - Basler Zeitung, 7. 11. 2017

Katja Fuseks neuer Roman
Sie ist keine zweite Irena Brezna, die sich als Migrantin aus Bratislava an der Schweizer Mentalität lange rieb und sich als «undankbare Fremde» (so einer ihrer Titel) ins Gespräch brachte. Katja Fusek, wie Brezna in Basel zu Hause, ist jünger und kam als zehnjähriges Kind erst 1978 aus Prag in die Schweiz, wo sie sich anscheinend problemlos einlebte. Wohl enthält auch ihr Roman «Aus dem Schatten» Hinweise auf mentale Unterschiede. So sollen die Mütter in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik «alle sehr laut» gewesen sein, während sie in der Schweiz, wie die Erzählerin Dagmar feststellt, «nur selten» schreien, um sich hernach dafür zu schämen. Doch Basel und die Schweiz sind hier nur der umständehalber gegebene Schauplatz einer gewiss von eigenen Erfahrungen geprägten, aber erklärtermassen nicht autobiografischen Familiengeschichte, die Katja Fusek aufrollt und dabei in die Prager Vergangenheit der Figuren zurückblendet. Sie zeichnet das Generationenbild einer Sippe, von der ein Teil damals in den Westen floh, und die jetzt – über die offenen Grenzen hinweg – die Familientradition fortsetzen will, doch nicht mehr länger unter dem Deckel halten kann, worüber man bisher nie sprach.

Amouröse Leichen im Keller

Das Geschehen kulminiert in der Weihnachtszeit, zu der Verwandte aus Prag anreisen. In den Vorbereitungen zum Festmahl verschwindet Dagmars Grossmutter, die «Vogelfrau», wie die Enkelin sie aufgrund ihrer Nase nennt. Die störrische Dame weiss um dunkle Vorfälle in früheren Zeiten und trauert einer alten Liebe aus Barcelona nach. Auch Dagmars Vater hat eine amouröse Leiche im Keller. Nun, da die schrulligen Verwandten Leben in den zermürbten Alltag ihrer Eltern bringen, erinnert sich die Erzählerin in traumartigen Passagen an Beobachtungen, die sie als Kind machte und verdrängte. Gleichzeitig steckt sie selbst in einer Ehekrise, soll aber die Suche nach der Grossmutter vorantreiben. Was sie resolut tut, nicht zuletzt, um sich Klarheit über ihre Situation zu verschaffen. Katja Fusek gelingt ein vielschichtiger, auch tragikomisch versetzter Blick auf eine Familie und deren Wunden. Manche Bilder wie etwa das der Mutter, die «mit Wut» statt Liebe kocht und dabei «auf die Regale einredet», bleiben haften. Basel und Prag verdichten sich zu einem atmosphärischen Gewebe, in dem die Figuren eine glaubhafte Kontur bekommen.




Die Körper fordern die Wahrheit ein

von Verena Stössingerbz Basel, 7.9.2017

Die Riehener Autorin Katja Fusek thematisiert ihre Biografie als Migrantin aus Tschechien.
Das Erste, was ich von Katja Fusek las, war eine Erzählung. Die Veröffentlichung hing mit einem Wettbewerb zusammen, und sie hat mich so überrascht und berührt, dass ich mir den Namen der Autorin merkte. Ihre Ernsthaftigkeit gefiel mir und ihr eigenständiger Ton: Der musikalische Sprachfluss, die randscharfen Bilder und das poetische Insistieren auf der Darstellung einer Wirklichkeit, die die Sprache braucht, um sichtbar werden zu können.
Fusek hat in den letzten 15 Jahren drei Romane veröffentlicht: «Novemberfäden» (2002), «Die stumme Erzählerin» (2006) und soeben «Aus dem Schatten». Zu den dreien kam 2011 ein halber, den zusammen mit Valentin Herzog verfassten Roman «Mare blu. Eine Liebesgeschichte mit Homer». Daneben schrieb Fusek zahlreiche Erzählungen, die zum Teil auch im Band «Der Drachenbaum» (2005) vorliegen, und drei Theaterstücke, die aufgeführt wurden. «Der Kurzschluss» beispielsweise 2005 im Miller’s Studio in Zürich und am Schauspielhaus Basel.
Im Team der Riehener Literaturinitiative «Arena» widmet sie sich der Vermittlung. Sie hat Familie und arbeitet als Sprachlehrerin. Gibt sie Ausländern vielleicht auch deshalb so gerne Unterricht, weil sie sich die deutsche Sprache einst selber aneignen musste?

Die Sehnsucht nach Heimat

1978 kam Fusek mit der Mutter und der Schwester nach Basel, «ganz legal», aber «ungefragt». Da war sie zehn Jahre alt. Das heimatliche Prag blieb zurück: die Grosseltern, die Freunde und Spielkameraden, das grosse, lebhafte Familienhaus mit Garten, die von der kommunistischen Gesellschaft gesetzten Regeln und Rituale sowie die tschechische Sprache. Die fehlte am sichtbarsten.
Fusek hatte aber den festen Willen, möglichst schnell «perfekt» Deutsch zu lernen, «insbesondere die Schimpfwörter», um gewappnet zu sein, doch die Sehnsucht nach wirklichem Ankommen blieb, schreibt sie: «Nach einem Ort, wohin ich gehöre. Nicht mehr eilen, ausweichen, erklären, sich rechtfertigen: nur sein. Sich nicht teilen zwischen meiner alten und meiner neuen Heimat.» An dieser Sehnsucht tragen auch viele ihrer Figuren. Fuseks Texte entstehen aus selbst Erfahrenem, aus Erinnerungen und historischen Reminiszenzen, die dann mit Fiktionen ergänzt, überschrieben, variiert und befragt werden und das Autobiografische ins Existenzielle weiten. «Die stumme Erzählerin» beispielsweise ist eine namenlose Flüchtlingsfrau, die sich das Leben des gelähmten alten Mannes, dem sie die Wohnung putzt, so intensiv und detailliert ausdenkt, bis es mit ihrer eigenen Vergangenheit zu korrespondieren beginnt.

Unverheilte Wunden

«Manchmal bemühe ich mich, eine lustige Geschichte zu schreiben», sagt die Autorin, «aber es geht nicht. Das Thema Einsamkeit muss in mir drin stecken.» Und die Gegenwart hängt an der Vergangenheit fest. Auch im neuen Roman «Aus dem Schatten», der soeben herausgekommen ist. Er hat – wie der Erstling – eine Protagonistin mit tschechischer Vergangenheit, die seit einer Weile in der Schweiz lebt.
War es damals die junge Zita, die nach zehn Jahren Abwesenheit die Heimatstadt wieder aufsucht und dabei von Erinnerungen und Gefühlen eingeholt wird, ist es im neuen Roman Dagmar, die seit Längerem in Basel wohnt, arbeitet und verheiratet ist, und die über die Weihnachtstage von ihrer tschechischen Familie aufgesucht wird. Und während, wie jedes Jahr, heftig gekocht, gegessen, getrunken und gestritten wird, setzt das plötzliche Verschwinden der Grossmutter eine unheilvolle Dynamik in Gang.
Bisher Verschwiegenes wird ans Licht gezerrt und ist nicht mehr zu überspielen. Auch hier sind es besonders die Konflikte zwischen Mutter und Tochter und die Rivalität zwischen den Geschwistern. Sichtbar werden Lebenslügen, alte Wunden und Versäumnisse, Sehnsüchte und Träume. Keine Figur bleibt davon verschont. Und darüber gesprochen werden kann auch nicht wirklich, weder in der einen noch in der anderen Sprache. Die Wunden sind zu alt und zu tief.
Letztlich sind es die Körper, welche die Wahrheit einfordern. Im sexuellen Begehren, vor allem in den ungelebten, nur heimlich ausgelebten oder auch bloss herbeifantasierten Liebschaften sind die Figuren noch am ehesten bei sich. Fusek zeigt das eindringlich und mit verständnisvoll sanfter, aber ungeschönter Genauigkeit.



Eine Enkelin auf den Spuren ihrer Grossmutter

von Rolf Spriessler - Riehener Zeitung, 22.12.2017

rs. Die Grossmutter ist verschwunden. Jahrelang sass sie in ihrem Zimmer, ihren Mantel um die Schultern gelegt, Brotreste im Nachttisch, bereit, jeden Moment aufzubrechen. Und dann ist sie plötzlich weg.
Für ihre Enkelin Dagmar wird die Suche nach der Grossmutter zu einer Entdeckungsreise– nicht nur real,weil sie ihr nachreist, sondern auch emotional,
weil ihr durch die Geschichte ihrer Grossmutter einiges klar wird, das auch sie selbst betrifft.
Erscheint die Grossmutter zunächst als arme Spinnerin, die jeden Bezug zur Realität verloren hat und mehr oder weniger bewusst vor sich hin vegetiert, so zeigt sie sich im weiteren Verlauf der Geschichte doch als immer noch kluge, durchaus selbstbewusste und starke Frau, die ihr Schicksal wohl gewählt und sich selbst ganz bewusst in den Hintergrund gestellt hat. Und dies im Nachhinein bereut, auch wenn sie nie gewagt hätte, einen anderen Weg zu gehen. Dagmar erfährt ein lange gehütetes Geheimnis ihrer Grossmutter.
Die Autorin Katja Fusek, die in Prag geboren wurde, als Zehnjährige in die Schweiz kam und heute mit ihrer Familie in Riehen lebt, verwebt in ihrem spannenden und bewegenden Roman alte Geschichten aus der Tschechoslowakei mit dem heutigen Leben einer tschechischen Auswandererfamilie in der Schweiz. Sie erzählt von einer jungen Frau, die in ihrer Ehe unglücklich ist, weil ihr Mann sich zu Hause kaum noch blicken lässt, und die unverhofft eine neue Liebe zu entdecken beginnt.
Beim Familientreffen werden Brüche sichtbar. Das vorgelebte Familienidyll kommt nicht von innen, es ist Fassade. Was erhält die Fassade aufrecht? Was bringt eine Frau dazu, auf die Liebe ihres Lebens zu verzichten? Was ist wichtiger – die Loyalität zum Ehemann und die Geborgenheit der Kinder oder das eigene Wohlbefinden, die eigene Freiheit, die Ehrlichkeit innerhalb einer nicht mehr so idyllischen Partnerschaft? Und welche Geheimnisse birgt die Familiengeschichte noch?
«Aus dem Schatten» ist ein ausserordentlich starkes Buch, das Zeitgeschichte mit einem Familienschicksal verbindet, eine spannende Geschichte erzählt, dabei persönlich berührt und nicht zuletzt zum Nachdenken über sich selbst anregt.


Deutsche öffentliche Bibliotheken

von Gabriele Fachinger

Dagmar hat sich der neuen Heimat angepasst. Sie lebt in der Schweiz ein unauffälliges
Leben. Nichts erinnert an ihre Herkunft, die Tschechoslowakei, aus der sie mit ihren Eltern
und der Großmutter in den 1970er-Jahren geflohen ist. Doch der Schein trügt: Ihre Ehe
steckt in einer tiefen Krise, beruflich fühlt sich Dagmar unterfordert und ihre Eltern sind sich
fremd geworden. Als die Großmutter, die seit Jahren die Wohnung nicht mehr verlassen hat,
plötzlich verschwindet, bricht die mühsam aufrechterhaltende Fassade der Familie ein.
Dagmar wird von Erinnerungen heimgesucht und macht sich schließlich auf den Weg, die
Großmutter zu suchen und sich der Vergangenheit zu stellen. Sprachlich distanziert und
doch eindringlich schildert die Schweizer Autorin ein Leben in der Diktatur und einer Flucht in
eine vermeintlich bessere Zukunft. Konsequent aus der Perspektive Dagmars geschildert
gewinnt die Erzählung zusätzlich an Tiefe. Fusek, die selbst tschechische Wurzeln hat, zeigt
eindrucksvoll auf, wie der Verlust von Heimat über Generationen hinweg schmerzen kann.
Empfohlen.

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Zu Mare blu. Eine Liebesgeschichte mit Homer (OSL Verlag, 2011, zusammen mit Valentin Herzog)

Von Alexandra Stähelin, NZZ, 5.1.2012
… Auch die beiden Schweizer Autoren Valentin Herzog und Katja Fusek haben sich von der psychologischen Offenheit der „Odyssee“ verzaubern und zu einem experimentellen Projekt inspirieren lassen: „Mare blu“ ist der flüssig und leicht zu lesende Versuch, die Vorkommnisse der „Odyssee“ an der Geschichte eines heutigen Paars zu spiegeln. … Es entstehen dabei in den Phantasien über Odysseus und Penelope atmosphärisch dichte Miniaturen über eine psychologisch spannungsvoll unterfütterte Antike…

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Zu Die stumme Erzählerin (OSL Verlag, 2006)

Von Arlette Schnyder, Riehener Zeitung, 24.11.2006
… Der neue Roman Fuseks erstaunt nicht nur durch das erzählerische Konzept, sondern vor allem durch den radikal weiblichen Standpunkt, in welchem für einmal ein Mann zur Projektionsfläche weiblicher Fantasien wird…

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Zu Der Drachenbaum (OSL Verlag, 2005)


Von Paul Schorno, bz, 1.3.2006
Die Autorin Katja Fusek hat mit „Der Drachenbau“ ein beeindruckendes Buch herausgegeben. Vielfältig das thematische, stilistische und inhaltliche Spektrum der Erzählungen. Faszinierend, wie es der Autorin gelingt, oft in wenigen Sätzen und auf wenigen Seiten, in Andeutungen, durch Weglassen, einem Ereignis, einer Begebenheit unerwartet eine Wendung zu verleihen, die verblüfft…

Bote vom Untersee und Rhein, 20.9.2011
Katja Fusek las im „Haus zum Gries“, Berlingen, die Erzählung „Wurzelsteine“. … Jeder Stein hat für Elisabeth eine Geschichte, mit jedem Stein verbindet sie einen Teil ihres Lebens. Symbolisch geben ihr die „Wurzeln der Steine“ den Halt, den sie braucht, um mit dem Leben, mit der Fremde, mit dem Ausgeschlossensein fertig werden zu können. Eine wirklich fesselnde, hervorragend aufgebaute Erzählung…

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Zu Kurzschluss (aufgeführt am Schauspielhaus Basel 2005, Einakter)

Von Paul Schorno, bz, 7.6.2005
Katja Fusek gelang es, mit prägnant knappen und handfesten Dialogen und Szenenbildern Probleme so anzutippen, dass zwischen den Worten Verdrängtes und Unausgesprochenes aufblitzte. Dadurch konnte das Publikum erspüren, was da an Ausweitung und Vertiefung der Themen noch drinliegt. … Sorgsam die Regie von Juliane Schwertner.

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Zu Novemberfäden (Janus Verlag, 2002)

Von Corina Lanfranchi, Basler Zeitung, 6.6.2002
Bemerkenswertes Debüt. Um Verluste geht es auch in Katja Fuseks Erstlingsroman „Novemberfäden“… Unter dem sparsamen Handlungsgerüst verbergen sich die authentischen Erinnerungen an die verlorene Kindheit, an das Fremdsein in der alten und das Nicht-Ankommen in der neuen Heimat. Durch die Erzähltechnik – doppelte Perspektive und verschiedene Zeitebenen, schafft Fusek indes eine literarische Distanz – und ein bemerkenswertes Debüt.

Von Gerd Lemke, Prager Zeitung, 3.10.2002
… Seit der Wende kann Zita wieder in die Heimatstadt Prag zurückfahren und das Leben hier mit dem in der Schweiz vergleichen. Das Pendeln zwischen zwei Welten wird auch stets zum Pendeln zwischen zwei Identitäten, wozu die unterschiedlichen Sprachen einen gehörigen Teil beitragen. … Die Reise nach Prag wird so eine Reise zwischen Vergangenheit und Zukunft. … Dieses Nicht-Verstehen des normalen tschechischen Nachwende-Lebens wird zum bestimmenden Thema des Romans.